25 Die Fertigstellung – Wie die alten Meister gemalt haben: Bienenwachs und Harz für die letzte Schutzschicht und das Erwarten der Kritik des Portraitierten (16. Jahrhundert)
Nachdem die Farben getrocknet sind, koche Harz zu einer zähflüssigen Masse. Gebe eine geringe Menge Bienenwachs hinzu und massiere die Substanz mit dem Handballen in das Tafelbild (Bild auf Holz) ein. Dieser Abschlussfirnis erteilt dem Bild die Weihe. Das Werk ist nun, wenn nicht für die Ewigkeit, so doch für Jahrhunderte geschützt und die Intensität der Farben wurde noch einmal gesteigert.
‘Am folgenden Tag ließ Massys Doria mitteilen, dass das Bild nun fertig sei. Der Principe möge es sich ansehen und entscheiden, ob es ihm gefalle. Zu Massys’ Verblüffung erschien Doria bereits kurz darauf im Turmzimmer. Der Maler hatte diesem Moment so lange entgegengelebt, dass nun ein tiefes Erschrecken von ihm Besitz ergriff. Wie würde das Urteil ausfallen? Dass Doria etwas von Malerei verstand, wusste er längst. Dass er kein Blatt vor den Mund nehmen würde, war ebenso sicher. Doria trat, wie so oft schon, zunächst ans Fenster und drehte dem Bild und dem Maler den Rücken zu. Suchte er dort draußen in den Weiten des Meeres Halt? Lange schwieg er, während Massys immer nervöser wurde. Schließlich begann er zu sprechen.
»Ich weiß, dass du eine ehrliche Meinung erwartest. Du wärest sogar verletzt, wenn ich dir etwas vormachen würde. Also gut, sehen wir uns das Kunstwerk an.«
Doria drehte sich um, ging auf die Staffelei zu, verschränkte die Arme und ließ seinen Blick auf dem Gemälde ruhen. Massys, dem plötzlich bewusst wurde, dass er die Ungehörigkeit begangen hatte, sich in Dorias Sessel niederzulassen, sprang auf.
»Bleib sitzen!« Doria musterte das Bild weiter, kniff erst das eine Auge zu, dann das andere. Schließlich lächelte er. »Du bist zwar kein Tizian, aber du kommst ihm beachtlich nahe. Noch ein paar Jahre Kummer, Schmerz und Verzicht, und du hast sein Niveau. Ich bin zufrieden. Du hast mich besser getroffen, als ich es für möglich hielt. Allerdings bin ich nicht vollständig der, den du in mir siehst. Es gibt noch eine Seite, die du übersehen hast. Damit bist du nicht alleine. Die meisten übersehen sie. Um diese Seite zu erkennen, bedarf es eines geschickten Anatomen, eines Menschen, der die Maske des Todes sieht, die der Schädel trägt. Ihre Mimik prägt der Schrecken, das Entsetzen, das einen befällt, wenn man über den Rand des Lebens in die Ewigkeit sieht, in dies Meer ohne Wasser und ohne Horizont.«’
– Ende der Abschrift und Sammlung kunstbezogener Texte aus dem Roman ‘DIE BLAUE GALEERE’ von Henning Boëtius. Die Artikelreihe ‘Wie die alten Meister gemalt haben’ konzentriert sich hauptsächlich auf die vom Schriftsteller in erzählerischer Form niedergeschriebenen, recherchierten Fakten, bezugnehmend auf die malerische Umsetzung eines Portraits im 16. Jahrhundert, von der Planung der Materialen bis hin zur Fertigstellung.
Bild: Porträt eines alten Mannes (Andrea Doria?), Jan Massys oder Metsys, Undatiert 16. Jahrhundert
Bisher behandelt:
Farbpigmente aus der frühen Zeit –
Mumie, Caput Mortuum, Braun, Rot und Erdtöne, Grüntöne, Blautöne, Weiß, Gelb und Schwarztöne
Das Material & Vorbereitende Arbeiten –
Bindemittel, Pinsel, Paletten, Malgrund/Tafel, Grundierung, Der Weg zum Meisterwerk und ein guter Ratschlag, Die Skizze, Übertrag der Skizze & Platzierung der Staffelei
Das Portrait –
Die erste Schicht, Untermalung, Erwachen aus der Vorläufigkeit, Der Weg zur Primamalerei
Erkenntnisse & Hilfsmittel –
Lehre über Harmonie und Schönheit, Beispiel für den herkömmlichen Gebrauch von Insignien & Symbolen, Der Perspektivenapparat, Wenn man situationsbedingt nur schwer mit Ölfarben zurechtkommt – Knochenasche für Skizzen auf Reisen
Die Überarbeitung –
Erkenntnis nach einer Pause am Werk und Zwischen Wirklichkeit und Einbildung, Erkenntnis nach einer Pause am Werk und Letzte Korrekturen mit Tempera und ÖL
2 Antworten
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